Über die >Grenze
back button
  • slideshow
    Blick auf den Silvretta-Stausee, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

  • slideshow
    Silvrettadorf auf der Bielerhöhe in Gaschurn, 1940
    Sammlung Risch-Lau, Vorarlberger Landesbibliothek

  • slideshow
    Zwangsarbeiterbaustelle Latschau, 1941
    Nachlass Prof. Dr. Richard Beitl, Montafon Archiv

  • slideshow
    Anastasios Georgollas, 1943
    E4264#1985/196#24546*, Schweizerisches Bundesarchiv

  • slideshow
    Georgios Agapitos, 1943
    E4264#1985/196#24325*, Schweizerisches Bundesarchiv

  • slideshow
    Constantinos Pipperidis, 1943
    E4264#1985/196#24182*, Schweizerisches Bundesarchiv

  • slideshow
    Silvrettastausee auf der Bielerhöhe, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

  • slideshow
    Partenen im Montafon, vor 1941
    Vorarlberger Landesbibliothek



52    Griechische Zwangsarbeiter> 1942 - 1943


Text einblenden:


52 Griechische Zwangsarbeiter

„Heute war Odysseus bei mir“. Griechische Zwangsarbeiter fliehen über die Pässe ins Prättigau
Partenen – Gortipohl – Schruns – Latschau, 1942 bis 1943

Tausende von Kriegsgefangenen werden ab 1939 in Vorarlberg, so wie im ganzen Deutschen Reich, als Zwangsarbeiter eingesetzt. Auch „Zivilarbeiter“ werden ins Land geholt, nicht alle kommen freiwillig. Insgesamt sind es mehr als 20.000 Menschen, Ukrainer und Franzosen, Russen und Polen, Italiener, Belgier, Bulgaren und Griechen, die unter höchst unterschiedlichen Bedingungen in Vorarlberg arbeiten. Etwa in der Landwirtschaft, in der Industrie und nicht zuletzt auf den Großbaustellen der Kraftwerke, die im Montafon entstehen. Mit großen Investitionen soll der wachsende Stromverbrauch der Rüstungsindustrie im Deutschen Reich gesichert werden.

Manche von ihnen haben sich als „Zivilarbeiter“ anwerben lassen. Ihr Status erlaubt ihnen einen bescheidenen Verdienst und eine gewisse Freizügigkeit, die sich freilich oft als Illusion herausstellt. Andere werden als Kriegsgefangene völkerrechtswidrig zur Zwangsarbeit eingesetzt. Auch KZ-Häftlinge kommen zum Einsatz. Besonders schlecht ist die Behandlung sogenannter „Ostarbeiter“ aus Russland, die als „rassisch minderwertig“ eingestuft und in strenger Lagerhaft gehalten werden. Brutale Strafen, Isolierung von einander, schlechte Arbeitsbedingungen und Unfälle auf den gefährlichen Baustellen im Hochgebirge sind an vielen Standorten die Regel. Besser haben es zumeist diejenigen, die allein oder in kleinen Gruppen im Land verteilt in unmittelbarem Kontakt mit ihren Arbeitgebern untergebracht sind. Manche Menschen versuchen den Kriegsgefangenen zu helfen, wie die Krankenschwester Pauline Wittwer aus Gaschurn, die französischen Kriegsgefangenen Kleidung und Nahrungsmittel zusteckt. Sie wird denunziert, schließlich verhaftet und verurteilt. Nach sieben verschiedenen Gefängnissen wird sie ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt und kommt erst nach einem Jahr schwerkrank wieder frei.[1]

Immer wieder werden von Zwangsarbeitern auch Fluchtversuche unternommen. Die meisten scheitern und enden mit verschärfter Haft oder dem Tod. Tatsächlich erfolgreich aber sind 48 Griechen, die in verschiedenen Gruppen organisiert, 1942 und 1943 die Flucht wagen.[2]

Im August 1942 gelingt es einer ersten Gruppe griechischer Zwangsarbeiter, über den Grubenpass nach St. Antönien ins Schweizer Prättigau zu entkommen. Ein Schweizer Arzt wird gerufen, um sie zu untersuchen – und offenbar auch um der Polizei dabei zu helfen, die „exotischen“ Gäste zu befragen. Seine Schilderung findet sich im Dossier der Schweizer Fremdenpolizei.

„Heute war Odysseus bei mir, Odysseus, der zehn Jahre vor Troja gelegen, der auf der Heimkehr vom Sturm verschlagen nun zehn Jahre umherirrte…
Kommt heute der Polizist daher mit drei Männern, alle ohne Kopfbedeckung, mit etwas zerschlissenen Schuhen, in langen gestreiften Hosen, der eine nur mit einem Hemd bekleidet, der zweite ausserdem mit einer abgetragenen Weste; der dritte hat einen Kittel, zweifellos etwas älteren, sicher mitteleuropäischen Schnitts. Die drei, sagt der Polizist, seien Griechen und hätten heute unsere Grenze überschritten. Ich solle sie untersuchen und womöglich die Personalien aufnehmen. Schwierige Sache: auf Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch reagieren sie nicht. … Aber schliesslich vor fünfunddreissig Jahren lernte ich ja auch Griechisch. Versuchen wir es also!“[3]

Radebrechend, mit der Hilfe der Erinnerung an seine Homer-Lektüre in der Schule und Wendungen aus der Odyssee zitierend, gelingt es dem Arzt tatsächlich, die Personalien des ersten Flüchtlings aufzunehmen. Odysseas Konstantinidis, ein ehemaliger Tabakarbeiter aus Xanthi in Thrakien. Er war wie seine Kameraden in Latschau von der Fa. Hinteregger beim Straßenbau eingesetzt.

Weitere Zwangsarbeiter aus dem Montafon sollen folgen. Ein Jahr später gelingt einer griechischen Gruppe von acht Fremdarbeitern die Flucht. Ihr Anführer, Jakob Tsitrian war zuletzt in Gaschurn als Bauarbeiter bei der Fa. Jäger beschäftigt. Den Schweizer Behörden berichten sie von falschen Versprechungen und schlechter Behandlung, mangelnder Ernährung und Schlägen. Vor allem aber haben die in Vorarlberg eingesetzten Griechen Angst davor, in die bulgarische Armee eingezogen zu werden. Teile Griechenlands sind von Bulgarien besetzt und am 25. September 1943 sollen wehrfähige Griechen aus dieser Region zwangsrekrutiert werden, auch wenn sie sich im Deutschen Reich befinden.

Sogar aus Hohenems fliehen im September 1943 aus diesem Grund zwei Griechen, die in der Ziegelei Klien beschäftigt waren. Auch sie nehmen den weiten Weg über die Berge und gehen über den Plasseggenpass ins Prättigau.

In der Nacht zum 12. September folgt ihnen eine weitere Gruppe von acht griechischen Fremdarbeitern, die in Latschau und ebenfalls in Hohenems gearbeitet hatten, über die Tilisuna-Furka. Und schon am nächsten Tag erreichen neun griechische Kriegsgefangene unter der Führung von Leonidas Pasajanidis über die Schesaplana die Schweiz. Ihnen hatte man die Militärpapiere abgenommen und sie fälschlich zu Zivilarbeitern deklariert, um sie danach zwangsweise im Montafon bei Stollenarbeiten einzusetzen. Auch sie fürchteten nun, ins bulgarische Heer abkommandiert zu werden.

Am 17. September schließlich macht sich die größte Gruppe vom Lager Seespitz, oben im Silvrettagebiet, auf den Weg über den Klosterpass. Angeführt werden sie von Anastasios Georgollas, der von den geglückten Fluchtversuchen der letzten Tage gehört hatte. Vierzehn Mann sind sie, aus verschiedenen Arbeitslagern am Seespitz, im Silvrettadorf oder auch in Gortipohl.

In den frühen Morgenstunden des 19. September erreichen sie die Schweiz. Georgollas und seine Kameraden werden ins Internierungslager Adliswil bei Zürich gebracht, und dort der Schweizer Heeres-Polizei übergeben. Auch Georgollas stammt aus der Nähe von Xanthi in Thrakien. Auch er war als Tabakarbeiter beschäftigt, bevor 1941 mit der Besetzung durch bulgarische Truppen in seiner Heimat der Krieg begann – und er als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich geschickt wurde. Am 28. September wird Georgollas von der Heerespolizei einvernommen.

„Ich kam nach dem ehemaligen Österreich (Vorarlberg) in ein Stollenbergwerk nach Gaschurn. Hier arbeiteten Griechen, Polen und Italiener, ca. 60 Mann. Wir schliefen und wohnten in Baracken und das Essen sowie auch die Behandlung war schlecht. Wir hatten von früher in die Schweiz geflüchteten Kameraden via Heimat vernommen, dass eine Möglichkeit bestände, sich in die Schweiz zu flüchten. (…) Wir haben uns organisiert und sind in der Ortschaft Seespitz zusammengetroffen, miteinander über unbekannte Berge gegangen und schliesslich an einem unbekannten Orte über einen Pass (…) in der Frühe illegal in die Schweiz gelangt. Hier wurden wir, 14 Mann alles Griechen durch die Schweizer Grenzwacht angehalten, welche uns zu Fuss ca. 2-3 Stunden nach Klosters-Dorf brachten. Nach dem Mittagessen wurden wir noch zusammen mit anderen Flüchtlingen, welche in Chur zu uns kamen, per Bahn nach Zürich und von da aus per Camion nach dem Lager Adliswil gebracht. Ich habe nichts als eine Legitimations-Karte, die ich hier deponiert habe, keine Bekannte noch Geld. Ich möchte zusammen mit meinen Kameraden bis Kriegsende in der Schweiz arbeiten.“[4]

Und tatsächlich rücken Georgollas und einige seiner Kameraden am 8. Dezember ins Arbeitslager Pont-de-la-Morge im Kanton Wallis ein. So wie er verbringen auch die übrigen Griechen den Rest des Krieges in der Schweiz.

Leseempfehlung:

Michael Kasper, „‘Durchgang ist hier strengstens verboten!‘ Die Grenze zwischen Montafon und Prättigau in der NS-Zeit 1938-1945“, in: Edith Hessenberger (Hg.), Grenzüberschreitungen. Von Schleppern, Schmugglern, Flüchtlingen. Schruns 2008, S. 79-108.

Links:

Im Montafon erinnern 15 Gedenktafeln an Opfer und Widerstand im Nationalsozialismus. Die Standorte sind zu finden auf: www.stand-montafon.at/erinnerungsorte


[1] 15 Orte – 15 Geschichten. Texte verorten Erinnerungen an den Nationalsozialismus im Montafon. Hg. Stand Montafon, Schruns 2021, S. 35.

[2] Die folgenden Informationen entstammen zum großen Teil der Dissertation von Jens Gassmann, Zwangsarbeit in Vorarlberg während der NS-Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Situation auf den Illwerke-Baustellen. Wien 2005.

[3] Zeitungsbericht in einem Prättigauer Lokalblatt aus dem Jahr 1942, undatiert einem Dossier der Schweizer Polizei beiliegend zur Flucht von Odysseas Konstantinides, der mit zwei Kameraden am 29.8.1942 die Grenze am Grubenpass überquerten.

[4] Dossier Anastasios Georgollas, Schweizerisches Bundesarchiv, Bern.




Abhörprokoll Anastasios Georgollas, Lager Adliswil, 28. September 1943
Schweizerisches Bundesarchiv, Dossier Anastasios Georgollas 



Liste der aus dem Lager Adliswil in andere Lager zu überstellenden Flüchtlinge, 1. Dezember 1943
Schweizerisches Bundesarchiv, Dossier Anastasios Georgollas

52 Griechische Zwangsarbeiter

„Heute war Odysseus bei mir“. Griechische Zwangsarbeiter fliehen über die Pässe ins Prättigau
Partenen – Gortipohl – Schruns – Latschau, 1942 bis 1943

Tausende von Kriegsgefangenen werden ab 1939 in Vorarlberg, so wie im ganzen Deutschen Reich, als Zwangsarbeiter eingesetzt. Auch „Zivilarbeiter“ werden ins Land geholt, nicht alle kommen freiwillig. Insgesamt sind es mehr als 20.000 Menschen, Ukrainer und Franzosen, Russen und Polen, Italiener, Belgier, Bulgaren und Griechen, die unter höchst unterschiedlichen Bedingungen in Vorarlberg arbeiten. Etwa in der Landwirtschaft, in der Industrie und nicht zuletzt auf den Großbaustellen der Kraftwerke, die im Montafon entstehen. Mit großen Investitionen soll der wachsende Stromverbrauch der Rüstungsindustrie im Deutschen Reich gesichert werden.

Manche von ihnen haben sich als „Zivilarbeiter“ anwerben lassen. Ihr Status erlaubt ihnen einen bescheidenen Verdienst und eine gewisse Freizügigkeit, die sich freilich oft als Illusion herausstellt. Andere werden als Kriegsgefangene völkerrechtswidrig zur Zwangsarbeit eingesetzt. Auch KZ-Häftlinge kommen zum Einsatz. Besonders schlecht ist die Behandlung sogenannter „Ostarbeiter“ aus Russland, die als „rassisch minderwertig“ eingestuft und in strenger Lagerhaft gehalten werden. Brutale Strafen, Isolierung von einander, schlechte Arbeitsbedingungen und Unfälle auf den gefährlichen Baustellen im Hochgebirge sind an vielen Standorten die Regel. Besser haben es zumeist diejenigen, die allein oder in kleinen Gruppen im Land verteilt in unmittelbarem Kontakt mit ihren Arbeitgebern untergebracht sind. Manche Menschen versuchen den Kriegsgefangenen zu helfen, wie die Krankenschwester Pauline Wittwer aus Gaschurn, die französischen Kriegsgefangenen Kleidung und Nahrungsmittel zusteckt. Sie wird denunziert, schließlich verhaftet und verurteilt. Nach sieben verschiedenen Gefängnissen wird sie ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt und kommt erst nach einem Jahr schwerkrank wieder frei.[1]

Immer wieder werden von Zwangsarbeitern auch Fluchtversuche unternommen. Die meisten scheitern und enden mit verschärfter Haft oder dem Tod. Tatsächlich erfolgreich aber sind 48 Griechen, die in verschiedenen Gruppen organisiert, 1942 und 1943 die Flucht wagen.[2]

Im August 1942 gelingt es einer ersten Gruppe griechischer Zwangsarbeiter, über den Grubenpass nach St. Antönien ins Schweizer Prättigau zu entkommen. Ein Schweizer Arzt wird gerufen, um sie zu untersuchen – und offenbar auch um der Polizei dabei zu helfen, die „exotischen“ Gäste zu befragen. Seine Schilderung findet sich im Dossier der Schweizer Fremdenpolizei.

„Heute war Odysseus bei mir, Odysseus, der zehn Jahre vor Troja gelegen, der auf der Heimkehr vom Sturm verschlagen nun zehn Jahre umherirrte…
Kommt heute der Polizist daher mit drei Männern, alle ohne Kopfbedeckung, mit etwas zerschlissenen Schuhen, in langen gestreiften Hosen, der eine nur mit einem Hemd bekleidet, der zweite ausserdem mit einer abgetragenen Weste; der dritte hat einen Kittel, zweifellos etwas älteren, sicher mitteleuropäischen Schnitts. Die drei, sagt der Polizist, seien Griechen und hätten heute unsere Grenze überschritten. Ich solle sie untersuchen und womöglich die Personalien aufnehmen. Schwierige Sache: auf Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch reagieren sie nicht. … Aber schliesslich vor fünfunddreissig Jahren lernte ich ja auch Griechisch. Versuchen wir es also!“[3]

Radebrechend, mit der Hilfe der Erinnerung an seine Homer-Lektüre in der Schule und Wendungen aus der Odyssee zitierend, gelingt es dem Arzt tatsächlich, die Personalien des ersten Flüchtlings aufzunehmen. Odysseas Konstantinidis, ein ehemaliger Tabakarbeiter aus Xanthi in Thrakien. Er war wie seine Kameraden in Latschau von der Fa. Hinteregger beim Straßenbau eingesetzt.

Weitere Zwangsarbeiter aus dem Montafon sollen folgen. Ein Jahr später gelingt einer griechischen Gruppe von acht Fremdarbeitern die Flucht. Ihr Anführer, Jakob Tsitrian war zuletzt in Gaschurn als Bauarbeiter bei der Fa. Jäger beschäftigt. Den Schweizer Behörden berichten sie von falschen Versprechungen und schlechter Behandlung, mangelnder Ernährung und Schlägen. Vor allem aber haben die in Vorarlberg eingesetzten Griechen Angst davor, in die bulgarische Armee eingezogen zu werden. Teile Griechenlands sind von Bulgarien besetzt und am 25. September 1943 sollen wehrfähige Griechen aus dieser Region zwangsrekrutiert werden, auch wenn sie sich im Deutschen Reich befinden.

Sogar aus Hohenems fliehen im September 1943 aus diesem Grund zwei Griechen, die in der Ziegelei Klien beschäftigt waren. Auch sie nehmen den weiten Weg über die Berge und gehen über den Plasseggenpass ins Prättigau.

In der Nacht zum 12. September folgt ihnen eine weitere Gruppe von acht griechischen Fremdarbeitern, die in Latschau und ebenfalls in Hohenems gearbeitet hatten, über die Tilisuna-Furka. Und schon am nächsten Tag erreichen neun griechische Kriegsgefangene unter der Führung von Leonidas Pasajanidis über die Schesaplana die Schweiz. Ihnen hatte man die Militärpapiere abgenommen und sie fälschlich zu Zivilarbeitern deklariert, um sie danach zwangsweise im Montafon bei Stollenarbeiten einzusetzen. Auch sie fürchteten nun, ins bulgarische Heer abkommandiert zu werden.

Am 17. September schließlich macht sich die größte Gruppe vom Lager Seespitz, oben im Silvrettagebiet, auf den Weg über den Klosterpass. Angeführt werden sie von Anastasios Georgollas, der von den geglückten Fluchtversuchen der letzten Tage gehört hatte. Vierzehn Mann sind sie, aus verschiedenen Arbeitslagern am Seespitz, im Silvrettadorf oder auch in Gortipohl.

In den frühen Morgenstunden des 19. September erreichen sie die Schweiz. Georgollas und seine Kameraden werden ins Internierungslager Adliswil bei Zürich gebracht, und dort der Schweizer Heeres-Polizei übergeben. Auch Georgollas stammt aus der Nähe von Xanthi in Thrakien. Auch er war als Tabakarbeiter beschäftigt, bevor 1941 mit der Besetzung durch bulgarische Truppen in seiner Heimat der Krieg begann – und er als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich geschickt wurde. Am 28. September wird Georgollas von der Heerespolizei einvernommen.

„Ich kam nach dem ehemaligen Österreich (Vorarlberg) in ein Stollenbergwerk nach Gaschurn. Hier arbeiteten Griechen, Polen und Italiener, ca. 60 Mann. Wir schliefen und wohnten in Baracken und das Essen sowie auch die Behandlung war schlecht. Wir hatten von früher in die Schweiz geflüchteten Kameraden via Heimat vernommen, dass eine Möglichkeit bestände, sich in die Schweiz zu flüchten. (…) Wir haben uns organisiert und sind in der Ortschaft Seespitz zusammengetroffen, miteinander über unbekannte Berge gegangen und schliesslich an einem unbekannten Orte über einen Pass (…) in der Frühe illegal in die Schweiz gelangt. Hier wurden wir, 14 Mann alles Griechen durch die Schweizer Grenzwacht angehalten, welche uns zu Fuss ca. 2-3 Stunden nach Klosters-Dorf brachten. Nach dem Mittagessen wurden wir noch zusammen mit anderen Flüchtlingen, welche in Chur zu uns kamen, per Bahn nach Zürich und von da aus per Camion nach dem Lager Adliswil gebracht. Ich habe nichts als eine Legitimations-Karte, die ich hier deponiert habe, keine Bekannte noch Geld. Ich möchte zusammen mit meinen Kameraden bis Kriegsende in der Schweiz arbeiten.“[4]

Und tatsächlich rücken Georgollas und einige seiner Kameraden am 8. Dezember ins Arbeitslager Pont-de-la-Morge im Kanton Wallis ein. So wie er verbringen auch die übrigen Griechen den Rest des Krieges in der Schweiz.

Leseempfehlung:

Michael Kasper, „‘Durchgang ist hier strengstens verboten!‘ Die Grenze zwischen Montafon und Prättigau in der NS-Zeit 1938-1945“, in: Edith Hessenberger (Hg.), Grenzüberschreitungen. Von Schleppern, Schmugglern, Flüchtlingen. Schruns 2008, S. 79-108.

Links:

Im Montafon erinnern 15 Gedenktafeln an Opfer und Widerstand im Nationalsozialismus. Die Standorte sind zu finden auf: www.stand-montafon.at/erinnerungsorte


[1] 15 Orte – 15 Geschichten. Texte verorten Erinnerungen an den Nationalsozialismus im Montafon. Hg. Stand Montafon, Schruns 2021, S. 35.

[2] Die folgenden Informationen entstammen zum großen Teil der Dissertation von Jens Gassmann, Zwangsarbeit in Vorarlberg während der NS-Zeit unter besonderer Berücksichtigung der Situation auf den Illwerke-Baustellen. Wien 2005.

[3] Zeitungsbericht in einem Prättigauer Lokalblatt aus dem Jahr 1942, undatiert einem Dossier der Schweizer Polizei beiliegend zur Flucht von Odysseas Konstantinides, der mit zwei Kameraden am 29.8.1942 die Grenze am Grubenpass überquerten.

[4] Dossier Anastasios Georgollas, Schweizerisches Bundesarchiv, Bern.




Abhörprokoll Anastasios Georgollas, Lager Adliswil, 28. September 1943
Schweizerisches Bundesarchiv, Dossier Anastasios Georgollas 



Liste der aus dem Lager Adliswil in andere Lager zu überstellenden Flüchtlinge, 1. Dezember 1943
Schweizerisches Bundesarchiv, Dossier Anastasios Georgollas

Kurzbiografien der genannten Personen

Odysseas Konstantinidis geboren 15.4.1914, Todesdatum unbekannt. Konstantinidis war als Tabakarbeiter in Thrakien beschäftigt, als bulgarische Truppen 1941 diese Region Griechenlands besetzten. Ins Deutsche Reich als Zwangsarbeiter verschickt, arbeitete er in Latschau bei der Fa. Hinteregger beim Straßenbau. Im August 1942 gehörte er zu einer ersten Gruppe griechischer Zwangsarbeiter, denen es gelang über den Grubenpass nach St. Antönien ins Prättigau zu entkommen. In der Schweiz wurde er in verschiedenen Arbeitslagern interniert. Dann kehrte er in seine Heimat zurück.

Anastasios Georgollas geboren 16.10.1922 in Kavala/Griechenland, Todesdatum unbekannt. Georgollas war als Tabakarbeiter in Thrakien beschäftigt, als bulgarische Truppen 1941 diese Region Griechenlands besetzten. Ins Deutsche Reich als Zwangsarbeiter verschickt, arbeitete er auf den Kraftwerksbaustellen im Montafon und in der Silvretta. Im September 1943 machte die Nachricht die Runde, dass griechische Zwangsarbeiter aus Thrakien in die bulgarische Armee eingezogen werden sollen. Am 17.9.1943 führte Georgollas eine Gruppe von 14 Zwangsarbeitern vom Lager Seespitz durch das Klostertal hinüber ins Prättigau. In der Schweiz wurde er in verschiedenen Arbeitslagern interniert. Nach dem Krieg kehrte er in seine Heimat zurück.