35 Friedrich Frolik
„Goldene Mutter und alle Geschwister. Grüße aus Feldkirch“ Der tschechische Fremdarbeiter Friedrich Frolik und die NS-Justiz
Illspitz, 25. August 1942
Friedrich Frolik und sein Freund Franz Irmisch, zwei junge Tschechen, die in Linz als Kraftfahrer arbeiten, werden in einem Wäldchen am Illdamm – nahe der Mündung des Flusses in den Rhein – festgenommen. Vermutlich haben sie versucht, in die Schweiz zu fliehen, wussten aber nicht wo die Grenze am Rhein verläuft. Frolik kommt zufällig in eine mehrfach belegte Zelle, deren Insassen wenige Tage später aus dem Gefängnis ausbrechen. Frolik versucht mit zwei seiner Mitgefangenen erneut über den Rhein zu fliehen. Wieder wird er festgenommen. Als er am 23. September aus der Haft an seine Mutter in Budweis schreibt, in radebrechendem Deutsch, ahnt er noch nicht, dass er sie niemals wiedersehen wird:
„Meine liebe, goldenne Mutter und alle Geschwister,
Grüße aus Feldkirch sendet Sein Sohn Friz. Muti ich bin gesund und hab ich alles Gute, wie lang bleib ich hier, weis ich nicht. Ich bitte schreiben sie mir gleich, was ist los in Heimat und sind sie gesund? Alle? Was machen Alle? Milousch, Jirka, Pepi, Wenzl, hat faiertag dann schick ich auch Grus für aller, Und Heinrich, Ulrich, und schweigerin Nelly, ich freue mich auf wiedersehen, in heimat.
Liebe Mutti, gehst du mir zur meine schneider, auf Linzerstrasse, dann hab ich der Wintermantl zu machen bei schneider Mikolas, wenn fertig ist, nehm den mantl gleich zu hause und einen sacko, rock, und zahlst du alles, schon komm ich dan machma rechnung. […]
Jetzt Grüs ich auch meine mädl Anni und gehen sie zur ihm und sagen sie was ist mit mir, bin ich in Untersuchungshaus in Feldkirch, und kom ich nach der Untersuchungen. Bitte schreiben sie mir gleich in deutsche schprache zurick auf meine Adrese in kuwert. Ich werde schreiben jede 14 tage und sie schreiben sie mir jeder woche! Ja?
Jetzt file Grüse von mir, und Muti ich sende dein file küse. Und für Jirka und Milaus auch. Kaufen sie zur friedhof auf grab meine fatter blume.
auf wiedersehn. Fritz
und Anni kann auch schreiben zu mir ja?“[1]
Statt in Budweis langt der Brief am 26. September beim Volksgerichtshof in Berlin ein und wird von dort nach Feldkirch zurückgesandt. Wo er liegen bleibt.
Am 19. Mai 1943 wird Frolik vom Sondergericht beim Landgericht Feldkirch als Gewaltverbrecher, sowie wegen Passvergehens und Diebstahl schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Das Urteil trifft ihn völlig unvorbereitet. Sein Entsetzen bewegt sogar die Richter, die ein Gnadengesuch vom ihm befürworten. Vergeblich: am 2. Juli 1943 wird er im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet.
Leseempfehlung:
Alfons Dür, Unerhörter Mut. Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns. Innsbruck 2012.
[1] Zitiert nach Alfons Dür, Unerhörter Mut. Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns. Innsbruck 2012, S. 161f.
35 Friedrich Frolik
„Goldene Mutter und alle Geschwister. Grüße aus Feldkirch“ Der tschechische Fremdarbeiter Friedrich Frolik und die NS-Justiz
Illspitz, 25. August 1942
Friedrich Frolik und sein Freund Franz Irmisch, zwei junge Tschechen, die in Linz als Kraftfahrer arbeiten, werden in einem Wäldchen am Illdamm – nahe der Mündung des Flusses in den Rhein – festgenommen. Vermutlich haben sie versucht, in die Schweiz zu fliehen, wussten aber nicht wo die Grenze am Rhein verläuft. Frolik kommt zufällig in eine mehrfach belegte Zelle, deren Insassen wenige Tage später aus dem Gefängnis ausbrechen. Frolik versucht mit zwei seiner Mitgefangenen erneut über den Rhein zu fliehen. Wieder wird er festgenommen. Als er am 23. September aus der Haft an seine Mutter in Budweis schreibt, in radebrechendem Deutsch, ahnt er noch nicht, dass er sie niemals wiedersehen wird:
„Meine liebe, goldenne Mutter und alle Geschwister,
Grüße aus Feldkirch sendet Sein Sohn Friz. Muti ich bin gesund und hab ich alles Gute, wie lang bleib ich hier, weis ich nicht. Ich bitte schreiben sie mir gleich, was ist los in Heimat und sind sie gesund? Alle? Was machen Alle? Milousch, Jirka, Pepi, Wenzl, hat faiertag dann schick ich auch Grus für aller, Und Heinrich, Ulrich, und schweigerin Nelly, ich freue mich auf wiedersehen, in heimat.
Liebe Mutti, gehst du mir zur meine schneider, auf Linzerstrasse, dann hab ich der Wintermantl zu machen bei schneider Mikolas, wenn fertig ist, nehm den mantl gleich zu hause und einen sacko, rock, und zahlst du alles, schon komm ich dan machma rechnung. […]
Jetzt Grüs ich auch meine mädl Anni und gehen sie zur ihm und sagen sie was ist mit mir, bin ich in Untersuchungshaus in Feldkirch, und kom ich nach der Untersuchungen. Bitte schreiben sie mir gleich in deutsche schprache zurick auf meine Adrese in kuwert. Ich werde schreiben jede 14 tage und sie schreiben sie mir jeder woche! Ja?
Jetzt file Grüse von mir, und Muti ich sende dein file küse. Und für Jirka und Milaus auch. Kaufen sie zur friedhof auf grab meine fatter blume.
auf wiedersehn. Fritz
und Anni kann auch schreiben zu mir ja?“[1]
Statt in Budweis langt der Brief am 26. September beim Volksgerichtshof in Berlin ein und wird von dort nach Feldkirch zurückgesandt. Wo er liegen bleibt.
Am 19. Mai 1943 wird Frolik vom Sondergericht beim Landgericht Feldkirch als Gewaltverbrecher, sowie wegen Passvergehens und Diebstahl schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Das Urteil trifft ihn völlig unvorbereitet. Sein Entsetzen bewegt sogar die Richter, die ein Gnadengesuch vom ihm befürworten. Vergeblich: am 2. Juli 1943 wird er im Gefängnis München-Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet.
Leseempfehlung:
Alfons Dür, Unerhörter Mut. Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns. Innsbruck 2012.
[1] Zitiert nach Alfons Dür, Unerhörter Mut. Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns. Innsbruck 2012, S. 161f.