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    Bahnhof Hohenems, 2020
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Bahnhof Hohenems, vor 1938
    Foto: Leonhard Heim, Vorarlberger Landesbibliothek

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    Paul Pivnik mit drei Männern im Arbeitslager, um 1940
    Sammlung Paul Pivnik, Jüdisches Museum Hohenems

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    Paul Pivnik während eines Interviews, 2005
    Sammlung Paul Pivnik, Jüdisches Museum Hohenems



26    Paul Pivnik> Sommer 1938


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26  Paul Pivnik

 mit dem hab ich am Abend noch Karten gespielt“. Paul Pivnik erlebt den Fanatismus in Wien und flieht über Hohenems in die Schweiz
Wien – Hohenems, November 1938

 „Nach dem Einmarsch Hitlers in Wien, also Österreich… ich hab den Einmarsch in Wien erlebt und die Fahrt Hitlers zur Hofburg, Mariahilferstraße. Und den Fanatismus der Bevölkerung, das war wie, abnormal. Eine Begeisterung, die haben jedes Denken ausgeschaltet, jedes Denken.“ [1]

Paul Pivnik erlebt den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Im November 1938 will er schließlich von Wien über Hohenems in die Schweiz fliehen. Wie die meisten Flüchtlinge versucht er zunächst, sich am Bahnhof zu orientieren, wo ein Übergang in die Schweiz möglich ist. Im Dezember 2005 in Zürich berichtet er von seiner Flucht.

„Und das hat sich nach den Parolen Hitlers gegen das Judentum ein Hass entwickelt, der vorher dicke Freundschaft war. Für mich möcht ich einen Fall dazu sagen: ich hatte einen Freund, Karl Fiala war das, mit dem hab ich am Abend noch Karten gespielt, am nächsten Tag nach dem Einmarsch Hitlers ist er vor meinem Haus gestanden in der SA-Uniform. Ja, genau so war Wien. Und da hat man gesprochen, Wien, das goldige Wiener Herz. Sie haben alle jüdischen Wohnungen ausgeraubt. Ich bin, da man mir es nicht angesehen hat dass ich Jude bin, man hat immer geschaut, wie schaut der aus, bei mir hat man‘s weniger gesagt, und ich hab gesehen wie die Juden in Wien den Gehsteig mit einer Bürste aufbürsten, wie waschen, mussten. Und einer war dort, mit einem Bart, dem hat ein SS-Mann den Bart angezündet. Das war Wien. Der Gedanke, dass in Wien bleiben unmöglich war, war für mich eine fixe Sache und hab den schnellsten Weg versucht, wegzukommen. Der Weg war Vorarlberg.

Und so bin ich in Hohenems ausgestiegen, und hab mich umgesehen einen ganzen Tag, und dann hab ich ein Quartier gesucht und das Quartier war durch „Kraft durch Freude“ besetzt, haben wir im Wald übernachtet, und dann hab ich gehört, dass in Hohenems, am Bahnrestaurant, sich Juden getroffen haben, die in die Schweiz wollten, und hab mir alle angehört, die nicht durchgekommen sind.“

Passfoto Paul Pivnik, um 1938
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

Paul Pivnik gelingt es über den Rhein zu kommen. Zunächst wird er im Flüchtlingslager Diepoldsau aufgenommen. Später wird er im Schweizer Arbeitslager Felsberg interniert. Nach dem Krieg gelingt es ihm schließlich, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu erlangen.

[1] Archiv des Jüdischen Museums Hohenems, Interview mit Paul Pivnik, Zürich 2005.

 


Paul Pivnik (rechts) und Hans Steiner im Internierungslager, um 1939
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

 

 

26  Paul Pivnik

 mit dem hab ich am Abend noch Karten gespielt“. Paul Pivnik erlebt den Fanatismus in Wien und flieht über Hohenems in die Schweiz
Wien – Hohenems, November 1938

 „Nach dem Einmarsch Hitlers in Wien, also Österreich… ich hab den Einmarsch in Wien erlebt und die Fahrt Hitlers zur Hofburg, Mariahilferstraße. Und den Fanatismus der Bevölkerung, das war wie, abnormal. Eine Begeisterung, die haben jedes Denken ausgeschaltet, jedes Denken.“ [1]

Paul Pivnik erlebt den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Im November 1938 will er schließlich von Wien über Hohenems in die Schweiz fliehen. Wie die meisten Flüchtlinge versucht er zunächst, sich am Bahnhof zu orientieren, wo ein Übergang in die Schweiz möglich ist. Im Dezember 2005 in Zürich berichtet er von seiner Flucht.

„Und das hat sich nach den Parolen Hitlers gegen das Judentum ein Hass entwickelt, der vorher dicke Freundschaft war. Für mich möcht ich einen Fall dazu sagen: ich hatte einen Freund, Karl Fiala war das, mit dem hab ich am Abend noch Karten gespielt, am nächsten Tag nach dem Einmarsch Hitlers ist er vor meinem Haus gestanden in der SA-Uniform. Ja, genau so war Wien. Und da hat man gesprochen, Wien, das goldige Wiener Herz. Sie haben alle jüdischen Wohnungen ausgeraubt. Ich bin, da man mir es nicht angesehen hat dass ich Jude bin, man hat immer geschaut, wie schaut der aus, bei mir hat man‘s weniger gesagt, und ich hab gesehen wie die Juden in Wien den Gehsteig mit einer Bürste aufbürsten, wie waschen, mussten. Und einer war dort, mit einem Bart, dem hat ein SS-Mann den Bart angezündet. Das war Wien. Der Gedanke, dass in Wien bleiben unmöglich war, war für mich eine fixe Sache und hab den schnellsten Weg versucht, wegzukommen. Der Weg war Vorarlberg.

Und so bin ich in Hohenems ausgestiegen, und hab mich umgesehen einen ganzen Tag, und dann hab ich ein Quartier gesucht und das Quartier war durch „Kraft durch Freude“ besetzt, haben wir im Wald übernachtet, und dann hab ich gehört, dass in Hohenems, am Bahnrestaurant, sich Juden getroffen haben, die in die Schweiz wollten, und hab mir alle angehört, die nicht durchgekommen sind.“

Passfoto Paul Pivnik, um 1938
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

Paul Pivnik gelingt es über den Rhein zu kommen. Zunächst wird er im Flüchtlingslager Diepoldsau aufgenommen. Später wird er im Schweizer Arbeitslager Felsberg interniert. Nach dem Krieg gelingt es ihm schließlich, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu erlangen.

[1] Archiv des Jüdischen Museums Hohenems, Interview mit Paul Pivnik, Zürich 2005.

 


Paul Pivnik (rechts) und Hans Steiner im Internierungslager, um 1939
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

 

 

Kurzbiografien der genannten Personen

Paul Pivnik (Piwnik) wurde am 14.12.1910 in Wien als Sohn von Rywen Piwnik und Katharina Schwarz geboren. Er erlernte das Schneiderhandwerk. Er floh im November 1938 über Hohenems in die Schweiz zu einer Zeit, als die Grenze schon abgeriegelt war. Er kam zunächst im Flüchtlingslager Diepoldsau unter und wurde später im Arbeitslager Felsberg interniert. Nach dem Krieg gelang es ihm die Schweizer Staatsbürgerschaft zu erwerben und er ließ sich in Zürich nieder. Er starb am 12.2.2010.