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    Zollamt Schmitter in Lustenau, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Streife in der Nähe des Zollamtes Schmitter, März 1943
    Jüdisches Museum Hohenems

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    Jakob Spirig bei einem Interview an der Grenze in Diepoldsau, Jänner 2002
    Jüdisches Museum Hohenems



19    Jakob Spirig> 1938 - 1942


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19 Jakob Spirig

„Wir waren damals junge Burschen, wir hatten nicht viel Geld“. Der Diepoldsauer Fluchthelfer Jakob Spirig
Hohenems – Schmitter, 1938 bis 1942

Der 1919 geborene Hilfsarbeiter Jakob Spirig lebt im schweizerischen Diepoldsau in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze. 1938 und in den Jahren danach hilft der erfahrene Schmuggler vielen jüdischen Flüchtlingen beim illegalen Grenzübertritt, gegen ein paar Mark. Nach einer gescheiterten Fluchthilfeaktion 1942, bei der von fünf Berliner Frauen vier von der deutschen Grenzwache gefasst werden, wird Spirig in der Schweiz zu drei Monaten Gefängnis verurteilt – und erst nach seinem Tod 2004 rehabilitiert.

„Von hier aus haben wir die Juden in die Schweiz... Wir sind hier hinter dem Zollamt, beim österreichischen Zollamt sind wir hinter dem Zollamt durch, sind direkt da, unter dem Damm, nach vor bis zu diesem Bächlein, und vom Bächlein da runter, bis etwa 100 Meter weiter unten, wo das Bächlein in österreichisches Gewässer eingeflossen ist. Und von dort aus sind wir übers Bächlein drüber und dann in die Schweiz. [...] Das haben wir immer nachts gemacht, also abends, um 8 Uhr. Es war so im Herbst, oder je nach Zeit, aber immer im Dunkeln. Und wir wussten genau, wann die Schweizer Grenzwacht die Ablösung macht, sagen wir um 8 Uhr, dann haben wir schon gehört, wie der Grenzwächter heraufmarschiert ist, und der andere wieder hinunter, und in der Zwischenzeit sind wir durch. [...]

Diese Aufträge... wir waren damals junge Burschen, wir hatten nicht viel Geld, und wir gingen immer am Sonntag zu Fuß, oder unter der Woche, wenn wir keine Arbeit gehabt haben, sind wir in das Hotel Freschen oder Restaurant Freschen nach Hohenems, weil dort ein Becher Bier 15 Rappen gekostet hat, und dann hat uns die Serviertochter gesagt, es wären noch Juden hier, die in die Schweiz möchten. Ob wir sie mitnehmen, sie bezahlen uns 4 oder 5 Mark und natürlich, das war uns ein guter Verdienst und dann haben wir alle mitgenommen. Und haben sie von Hohenems bis hier ans Zollamt geführt und dann sind wir eben hinter dem Zollamt durch und an die Grenze und dann hinauf.

[...]

Wir haben es manchmal sehr gemütlich genommen: Wir sind hier an das Bord gesessen und haben die Schuhe ausgezogen und sind zu Fuß über das Bächlein. Und drüben haben wir die Füße wieder getrocknet und die Schuhe angezogen. Und sonst vielleicht eine ältere Frau oder einen älteren Herren haben wir auf den Buckel genommen und rüber getragen. Wenn dann alles in Ordnung war, sind wir marschiert. Wenn die Luft rein war. [...]“[1]

Leseempfehlung:
Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998); Jörg Krummenacher, Flüchtiges Glück. Die Flüchtlinge im Grenzkanton St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2005.


[1] Interview mit Jakob Spirig, in: „Heimat, fremde Heimat“ (Markus Barnay, ORF 2002).

 

Streife auf dem Grenzpfad zwischen dem Zollamt Hohenems und dem Zollamt Schmitter, Mai 1940
Archiv der Finanzlandesdirektion, Feldkirch

 

19 Jakob Spirig

„Wir waren damals junge Burschen, wir hatten nicht viel Geld“. Der Diepoldsauer Fluchthelfer Jakob Spirig
Hohenems – Schmitter, 1938 bis 1942

Der 1919 geborene Hilfsarbeiter Jakob Spirig lebt im schweizerischen Diepoldsau in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze. 1938 und in den Jahren danach hilft der erfahrene Schmuggler vielen jüdischen Flüchtlingen beim illegalen Grenzübertritt, gegen ein paar Mark. Nach einer gescheiterten Fluchthilfeaktion 1942, bei der von fünf Berliner Frauen vier von der deutschen Grenzwache gefasst werden, wird Spirig in der Schweiz zu drei Monaten Gefängnis verurteilt – und erst nach seinem Tod 2004 rehabilitiert.

„Von hier aus haben wir die Juden in die Schweiz... Wir sind hier hinter dem Zollamt, beim österreichischen Zollamt sind wir hinter dem Zollamt durch, sind direkt da, unter dem Damm, nach vor bis zu diesem Bächlein, und vom Bächlein da runter, bis etwa 100 Meter weiter unten, wo das Bächlein in österreichisches Gewässer eingeflossen ist. Und von dort aus sind wir übers Bächlein drüber und dann in die Schweiz. [...] Das haben wir immer nachts gemacht, also abends, um 8 Uhr. Es war so im Herbst, oder je nach Zeit, aber immer im Dunkeln. Und wir wussten genau, wann die Schweizer Grenzwacht die Ablösung macht, sagen wir um 8 Uhr, dann haben wir schon gehört, wie der Grenzwächter heraufmarschiert ist, und der andere wieder hinunter, und in der Zwischenzeit sind wir durch. [...]

Diese Aufträge... wir waren damals junge Burschen, wir hatten nicht viel Geld, und wir gingen immer am Sonntag zu Fuß, oder unter der Woche, wenn wir keine Arbeit gehabt haben, sind wir in das Hotel Freschen oder Restaurant Freschen nach Hohenems, weil dort ein Becher Bier 15 Rappen gekostet hat, und dann hat uns die Serviertochter gesagt, es wären noch Juden hier, die in die Schweiz möchten. Ob wir sie mitnehmen, sie bezahlen uns 4 oder 5 Mark und natürlich, das war uns ein guter Verdienst und dann haben wir alle mitgenommen. Und haben sie von Hohenems bis hier ans Zollamt geführt und dann sind wir eben hinter dem Zollamt durch und an die Grenze und dann hinauf.

[...]

Wir haben es manchmal sehr gemütlich genommen: Wir sind hier an das Bord gesessen und haben die Schuhe ausgezogen und sind zu Fuß über das Bächlein. Und drüben haben wir die Füße wieder getrocknet und die Schuhe angezogen. Und sonst vielleicht eine ältere Frau oder einen älteren Herren haben wir auf den Buckel genommen und rüber getragen. Wenn dann alles in Ordnung war, sind wir marschiert. Wenn die Luft rein war. [...]“[1]

Leseempfehlung:
Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998); Jörg Krummenacher, Flüchtiges Glück. Die Flüchtlinge im Grenzkanton St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2005.


[1] Interview mit Jakob Spirig, in: „Heimat, fremde Heimat“ (Markus Barnay, ORF 2002).

 

Streife auf dem Grenzpfad zwischen dem Zollamt Hohenems und dem Zollamt Schmitter, Mai 1940
Archiv der Finanzlandesdirektion, Feldkirch

 

Kurzbiografien der genannten Personen

Jakob Spirig geboren 16.9.1919, gestorben 11.1.2004 in Diepoldsau. Spirig arbeitete als Hilfsarbeiter und verdiente sich als Fluchthelfer ein Taschengeld dazu, als 1938 die große Flüchtlingswelle von Wien Vorarlberg erreichte. Schon im November 1938 wurde er zu einer ersten Geldstrafe verurteilt. Nach einer gescheiterten Fluchthilfeaktion im Mai 1942 wurde er in der Schweiz verhaftet und erneut, nun zu drei Monaten Gefängnis, verurteilt. Erst kurz nach seinem Tod wurde er rehabilitiert.