Über die >Grenze
back button
  • slideshow
    Als Chalet getarnte Kanonenstellung der Festung Heldsberg, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

  • slideshow
    Als Chalet getarnte Kanonenstellung der Festung Heldsberg, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

  • slideshow
    Eingang der Artilleriefestung Heldsberg, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

  • slideshow
    Eingang der Festung Heldsberg, um 1940
    Wikimedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Werk-Eingang_der_Festung_Heldsberg.jpg)



15    Festung Heldsberg> 1938 - 1945


Text einblenden:


15 Festung Heldsberg

Festung Heldsberg: Unterirdische Stellungen gegen einen deutschen Überfall
1938 bis 1945

Die Schweiz hat sich gegen einen deutschen Überfall gerüstet. Am 8. September 1941 inspiziert General Henri Guisan das eidgenössische Festungsbauwerk Heldsberg, das sich unterirdisch einen Kilometer lang unter dem letzten Ausläufer der Schweizer Berge über St. Margrethen erstreckt.

Oberstleutnant Bernard Barbey, der Chef des persönlichen Stabs des Generals, notiert in seinem Tagebuch:

„In St. Margrethen, nahe der früheren österreichischen Grenze nimmt uns Gubler, Kommandant der Grenzbrigade 8, mit zur Besichtigung des Forts Heldsberg, des nordöstlichen Sporns unseres Grenzsystems. Überraschende Wirkung heute, gewisser Vorkriegsbeschlüsse, die zu äusserst gelegene Befestigungen mit so kostspieligen Einrichtungen versahen wie diese da, die doch im grossen und ganzen nur eine lokale Bedeutung haben.“[1]

Das Oberkommando der deutschen Wehrmacht schätzte das Verteidigungspotential der Festungen im Rheintal offenbar etwas höher ein. Seit 1940 wurden Pläne ausgearbeitet, für einen möglichen deutschen Überfall auf die Schweiz. Immerhin war die Wehrmacht im Mai dieses Jahres schon in zwei neutrale Staaten einmarschiert, Belgien und die Niederlande. Der unter dem Decknamen „Tannenbaum“ als geheime Kommandosache ausgearbeitete „Operationsentwurf für einen deutschen Angriff gegen die Schweiz“ vom 26. August 1940 enthielt schon eine genaue Übersicht über die Schweizer Festungsbauwerke und ließ wissen:

„Ein Angriff über den Rhein, nur aus ostwärtiger Richtung zwischen Bodensee und Sargans ist wegen des gebirgigen Geländes und der starken Befestigungen bei Rheineck und Sargans nicht zu empfehlen.“[2]

In jedem Fall sollten die Grenzfestungen der Schweiz einen möglichen deutschen Überfall wenigstens für einige Wochen aufhalten und den Schweizer Rückzug ins Reduit sichern, also in den von massiven Befestigungen gesicherten zentralen Alpenraum der Schweiz, so wie es der Operationsbefehl vom 12. Juli 1940 vorsah.

Die Planung der Festung Heldsberg begann 1938 im Zeichen des heraufziehenden Krieges. In kurzer Zeit zwischen 1939 und 1941 wurde sie fertiggestellt. Vier Festungskanonen mit einem Kaliber von 7,5 cm, gesichert von sieben Maschinengewehrstellungen und zwei Beobachtungsständen waren nach Norden Osten und Süden, auf Bregenz und Lindau, auf Hard und Fussach, die Rheinbrücken, Lustenau, Dornbirn und Hohenems gerichtet. Dazu kamen zwei Dutzend Bunkerstellungen im Rheintal.
Die zum Teil hinter unschuldig ausschauenden Fassaden von „Einfamilienhäusern“ versteckten Festungskanonen und Maschinengewehrstellungen waren unterirdisch durch ein System von Tunnels und Kavernen verbunden, zu denen auch die Schlaf- und Aufenthaltsräume der 200 Mann starken Festungsbesatzung gehörten, ein Lazarett, eine Küche, ein großes Wasserreservoir und eine leistungsfähige Maschinenzentrale, die das ganze Festungswerk mit Elektrizität und Frischluft versorgen sollte. Sowie durch Überdruck das mögliche Eindringen von Kampfgasen in die Bunker verhindern konnte.

Dass die Wehrmacht über die Schweizer Abwehrstellungen im Detail Bescheid wusste, lag an ihrer erfolgreichen Spionagetätigkeit und an wohl auch an nicht wenigen Sympathisanten des Nationalsozialismus in der Schweiz.

Im September 1939 wurde einer der „Landesverräter“ in Altstätten verhaftet. Das sorgte für einige Aufregung, denn der selbst beim Festungsbau beschäftigte Unteroffizier M. war ein beliebter Bürger der Stadt. Im Mai 1939, so gestand M. in der Haft nach einem ersten Prozess dem Gefängnisverwalter in der thurgauischen Haftanstalt Tobel, habe ihn auf der Hauptgasse von Altstätten ein sportlich gekleideter Deutscher, angeblich namens „Müller“, zu einem Bier im Restaurant Drei König eingeladen – und ihn zur Lieferung von Kopien der Armierungspläne der Bunker am Stoss und auf der Landmark überredet, für eine „Entschädigung“ von 100 Reichsmark pro Aufnahme. Offen blieb, wieso der deutsche Agent der Abwehrnebenstelle Bregenz den Verräter M. in Altstätten so gezielt erkennen und ansprechen konnte.

In seinem Schlusswort in einem zweiten Prozess 1940 behauptete M. jedenfalls:

„Ich habe nie gedacht, dass die politische Lage so ernst sein könnte, wie sie heute ist. Ganz bestimmt wollte ich der Schweiz nicht vorsätzlich schaden. Ich habe meine Tat nur wegen des Geldes begangen, da ich finanziell in gedrückter Situation war. Ich möchte hier insbesondere feststellen, dass ich mit dem System in Deutschland niemals sympathisiert habe.“[3]

Die Pläne der Wehrmacht, die Schweiz zugleich von Frankreich, von Norden und Osten sowie mit italienischen Kräften von Süden her zu erobern – und deren Besatzung hinterher zwischen Deutschland und Italien entlang einer Interessengrenze zwischen Genfer See und Sargans aufzuteilen, sie blieben Gedankenspiele.
Die neutrale Schweiz, als Drehscheibe von Banken und Geldflüssen, sicheren Verkehrswegen zwischen dem deutschen Reich und Italien, als Ort für diskrete Gespräche und Verhandlungen hinter den Kulissen, über Rohstofflieferungen und vieles andere, all das war für die Nationalsozialisten offenkundig wertvoller, als eine teuer erkaufte Eroberung ohne strategischen Nutzen.

Um 1990 wurde die Festung Heldsberg von der Schweizer Armee aufgelassen. 1993 wurde beschlossen darin ein Museum, das heutige Festungsmuseum Heldsberg einzurichten. Der Blick über den Rhein nach Norden über den bewaldeten Hügelrücken zeigt heute kaum noch sichtbare Spuren der Festungsarchitektur. Man muss schon genau hinsehen, um die Betonbunker zwischen Bäumen und Buschwerk auszumachen. Und bis heute verbergen sich Kanonenstellungen hinter den Scheinfassaden von Einfamilienhäusern, im Wäldchen über der Schweizer Autobahn, erkennbar allenfalls an einer seltsamen Fensterform im Erdgeschoss.


[1] Die Festung Heldsberg St. Margrethen. Vom Festungswerk zum Museum. Rheintaler Volksfreund: Au, o.J., S. 14f.

[2] Ebd., S. 14.

[3] Ebd., S. 23.

15 Festung Heldsberg

Festung Heldsberg: Unterirdische Stellungen gegen einen deutschen Überfall
1938 bis 1945

Die Schweiz hat sich gegen einen deutschen Überfall gerüstet. Am 8. September 1941 inspiziert General Henri Guisan das eidgenössische Festungsbauwerk Heldsberg, das sich unterirdisch einen Kilometer lang unter dem letzten Ausläufer der Schweizer Berge über St. Margrethen erstreckt.

Oberstleutnant Bernard Barbey, der Chef des persönlichen Stabs des Generals, notiert in seinem Tagebuch:

„In St. Margrethen, nahe der früheren österreichischen Grenze nimmt uns Gubler, Kommandant der Grenzbrigade 8, mit zur Besichtigung des Forts Heldsberg, des nordöstlichen Sporns unseres Grenzsystems. Überraschende Wirkung heute, gewisser Vorkriegsbeschlüsse, die zu äusserst gelegene Befestigungen mit so kostspieligen Einrichtungen versahen wie diese da, die doch im grossen und ganzen nur eine lokale Bedeutung haben.“[1]

Das Oberkommando der deutschen Wehrmacht schätzte das Verteidigungspotential der Festungen im Rheintal offenbar etwas höher ein. Seit 1940 wurden Pläne ausgearbeitet, für einen möglichen deutschen Überfall auf die Schweiz. Immerhin war die Wehrmacht im Mai dieses Jahres schon in zwei neutrale Staaten einmarschiert, Belgien und die Niederlande. Der unter dem Decknamen „Tannenbaum“ als geheime Kommandosache ausgearbeitete „Operationsentwurf für einen deutschen Angriff gegen die Schweiz“ vom 26. August 1940 enthielt schon eine genaue Übersicht über die Schweizer Festungsbauwerke und ließ wissen:

„Ein Angriff über den Rhein, nur aus ostwärtiger Richtung zwischen Bodensee und Sargans ist wegen des gebirgigen Geländes und der starken Befestigungen bei Rheineck und Sargans nicht zu empfehlen.“[2]

In jedem Fall sollten die Grenzfestungen der Schweiz einen möglichen deutschen Überfall wenigstens für einige Wochen aufhalten und den Schweizer Rückzug ins Reduit sichern, also in den von massiven Befestigungen gesicherten zentralen Alpenraum der Schweiz, so wie es der Operationsbefehl vom 12. Juli 1940 vorsah.

Die Planung der Festung Heldsberg begann 1938 im Zeichen des heraufziehenden Krieges. In kurzer Zeit zwischen 1939 und 1941 wurde sie fertiggestellt. Vier Festungskanonen mit einem Kaliber von 7,5 cm, gesichert von sieben Maschinengewehrstellungen und zwei Beobachtungsständen waren nach Norden Osten und Süden, auf Bregenz und Lindau, auf Hard und Fussach, die Rheinbrücken, Lustenau, Dornbirn und Hohenems gerichtet. Dazu kamen zwei Dutzend Bunkerstellungen im Rheintal.
Die zum Teil hinter unschuldig ausschauenden Fassaden von „Einfamilienhäusern“ versteckten Festungskanonen und Maschinengewehrstellungen waren unterirdisch durch ein System von Tunnels und Kavernen verbunden, zu denen auch die Schlaf- und Aufenthaltsräume der 200 Mann starken Festungsbesatzung gehörten, ein Lazarett, eine Küche, ein großes Wasserreservoir und eine leistungsfähige Maschinenzentrale, die das ganze Festungswerk mit Elektrizität und Frischluft versorgen sollte. Sowie durch Überdruck das mögliche Eindringen von Kampfgasen in die Bunker verhindern konnte.

Dass die Wehrmacht über die Schweizer Abwehrstellungen im Detail Bescheid wusste, lag an ihrer erfolgreichen Spionagetätigkeit und an wohl auch an nicht wenigen Sympathisanten des Nationalsozialismus in der Schweiz.

Im September 1939 wurde einer der „Landesverräter“ in Altstätten verhaftet. Das sorgte für einige Aufregung, denn der selbst beim Festungsbau beschäftigte Unteroffizier M. war ein beliebter Bürger der Stadt. Im Mai 1939, so gestand M. in der Haft nach einem ersten Prozess dem Gefängnisverwalter in der thurgauischen Haftanstalt Tobel, habe ihn auf der Hauptgasse von Altstätten ein sportlich gekleideter Deutscher, angeblich namens „Müller“, zu einem Bier im Restaurant Drei König eingeladen – und ihn zur Lieferung von Kopien der Armierungspläne der Bunker am Stoss und auf der Landmark überredet, für eine „Entschädigung“ von 100 Reichsmark pro Aufnahme. Offen blieb, wieso der deutsche Agent der Abwehrnebenstelle Bregenz den Verräter M. in Altstätten so gezielt erkennen und ansprechen konnte.

In seinem Schlusswort in einem zweiten Prozess 1940 behauptete M. jedenfalls:

„Ich habe nie gedacht, dass die politische Lage so ernst sein könnte, wie sie heute ist. Ganz bestimmt wollte ich der Schweiz nicht vorsätzlich schaden. Ich habe meine Tat nur wegen des Geldes begangen, da ich finanziell in gedrückter Situation war. Ich möchte hier insbesondere feststellen, dass ich mit dem System in Deutschland niemals sympathisiert habe.“[3]

Die Pläne der Wehrmacht, die Schweiz zugleich von Frankreich, von Norden und Osten sowie mit italienischen Kräften von Süden her zu erobern – und deren Besatzung hinterher zwischen Deutschland und Italien entlang einer Interessengrenze zwischen Genfer See und Sargans aufzuteilen, sie blieben Gedankenspiele.
Die neutrale Schweiz, als Drehscheibe von Banken und Geldflüssen, sicheren Verkehrswegen zwischen dem deutschen Reich und Italien, als Ort für diskrete Gespräche und Verhandlungen hinter den Kulissen, über Rohstofflieferungen und vieles andere, all das war für die Nationalsozialisten offenkundig wertvoller, als eine teuer erkaufte Eroberung ohne strategischen Nutzen.

Um 1990 wurde die Festung Heldsberg von der Schweizer Armee aufgelassen. 1993 wurde beschlossen darin ein Museum, das heutige Festungsmuseum Heldsberg einzurichten. Der Blick über den Rhein nach Norden über den bewaldeten Hügelrücken zeigt heute kaum noch sichtbare Spuren der Festungsarchitektur. Man muss schon genau hinsehen, um die Betonbunker zwischen Bäumen und Buschwerk auszumachen. Und bis heute verbergen sich Kanonenstellungen hinter den Scheinfassaden von Einfamilienhäusern, im Wäldchen über der Schweizer Autobahn, erkennbar allenfalls an einer seltsamen Fensterform im Erdgeschoss.


[1] Die Festung Heldsberg St. Margrethen. Vom Festungswerk zum Museum. Rheintaler Volksfreund: Au, o.J., S. 14f.

[2] Ebd., S. 14.

[3] Ebd., S. 23.