14 Alfred Otto Munk
Ein Abenteuer zum Geburtstag: die Flucht von Alfred und Gertrud Munk
Lustenau – Höchst, 10. April 1938
„Lieber Papa,
Ich bin nun endlich in der Schweiz und hoffe, daß es dir auch so gut geht wie mir.“[1]
Alfred Otto Munk ist gerade in Zürich angekommen. Es ist sein 13. Geburtstag. Doch davon ist nicht die Rede. Er schreibt seinem Vater Hans Munk, der schon 1937 in die USA emigriert ist.
Seine Mutter, Regine Brunner, ist hingegen erst vor vier Wochen in die Schweiz vorausgefahren. Sie stammt aus Hohenems, aber das ist Alfred Otto wohl nicht bewusst, als er ganz in der Nähe bei Höchst zusammen mit seiner Schwester Gertrud über die Grenze flieht. Ob der leichte Ton des Briefes den Vater beruhigen soll, oder Alfred Otto Munk die Flucht als spannendes Abenteuer erlebt hat?
„Die Herfahrt war sehr schön: wir fuhren am ersten Tag (Sonntag) von Wien bis Wörgl, wobei wir großes Glück hatten, da wir am Paß Thurn eingeschneit waren. Bis Salzburg fuhren wir 4 Stunden bei sehr schönem Wetter, doch nach Salzburg kamen wir von einem Schneegestöber in das andere, so daß wir nur sehr langsam fahren konnten und als wir gar am Paß Thurn eingeschneit waren hatten wir große Verspätung und kamen in Wörgl erst um 12 h an. Wir übernachteten in einem kleinen Gasthaus am Ende der Stadt, daß klein und primitiv, aber sehr nett war. Wir mußten in der Küche essen, da die Bauern im Gastzimmer vollständig versammelt waren und unerhörte Mengen von Alkohol tranken, da ja am nächsten Tag (10. April: Wahltag) Alkoholverbot war. Nächsten Tag in der Früh standen wir um ½ 7 auf und fuhren um 7h ab. 2 Stunden brauchten wir nach Innsbruck; von dort fuhren wir dann nach Landeck und über den Arlberg, der über 3 m Schnee hatte und trotzdem passierbar war, was großes Glück war, denn sonst hätten wir und das Auto mit der Bahn fahren müßen und das viel Geld und viel Zeit gekostet hätte. In Stuben aßen wir zu Mittag und dann ging es weiter nach Dornbirn wo wir noch auf zwei Begleiter trafen, die mit uns nachher über die Grenze gingen. Von Dornbirn fuhren wir mit einer Elektrischen bis Brugg, von wo wir eine halbe Stunde zu Fuß zur Grenze gingen. Gertie und ich hatten jeder einen Passier-Schein als Auslands-Schweizer. Außerdem waren noch 2 Schweizer Polizeileute mit uns die uns halfen. Die Grenze war eine Brücke die auf österreichischem Boden von S.A. Leuten besetzt war. Als wir zum Brückenanfang kamen, zeigten wir unsere falschen Passier-Scheine unaufgefaltet. Dann gaben wir die Zettel den beiden Schweizer Polizei-Leuten, die sie kontrollieren ließen. Dabei stellten sie sich betrunken und hielten die Grenzpolizei so lang auf, bis wir auf Schweizer Boden waren. Ihnen konnte man ja nichts machen, da sie Schweizer waren. So leicht ging es nur deshalb, weil es Wahltag war und so viele Leute über die Grenze gingen, daß die Grenzpolizei keine genaue Kontrolle machten. Auf der anderen Seite der Grenze fuhren wir mit dem Auto wieder weiter nach Zürich, wo ich jetzt bin.
[…] So, jetzt wäre ich fertig, nun schreibt Onkel Rudi
Viele Grüße
Otto.“
Leseempfehlung:
Hannes Sulzenbacher, Die Familie Brunner. Eine europäisch-jüdische Geschichte. Hohenems-Triest-Wien. Hohenems 2021
Links:
Ein Historischer Radrundweg führt in Lustenau zu 17 Schauplätzen der Geschichte, von den Anfängen der Besiedlung bis in die Gegenwart, darunter auch zur Remise der elektrischen Straßenbahn oder zu den Fluchtwegen am alten Rhein.
https://www.lustenau.at/de/freizeit/kultur/historisches-archiv/historischer-radrundweg
[1] Alfred Otto Munk an seinenm Vater Hans Munk, Zürich, 11.4 1938; Archiv JMH
14 Alfred Otto Munk
Ein Abenteuer zum Geburtstag: die Flucht von Alfred und Gertrud Munk
Lustenau – Höchst, 10. April 1938
„Lieber Papa,
Ich bin nun endlich in der Schweiz und hoffe, daß es dir auch so gut geht wie mir.“[1]
Alfred Otto Munk ist gerade in Zürich angekommen. Es ist sein 13. Geburtstag. Doch davon ist nicht die Rede. Er schreibt seinem Vater Hans Munk, der schon 1937 in die USA emigriert ist.
Seine Mutter, Regine Brunner, ist hingegen erst vor vier Wochen in die Schweiz vorausgefahren. Sie stammt aus Hohenems, aber das ist Alfred Otto wohl nicht bewusst, als er ganz in der Nähe bei Höchst zusammen mit seiner Schwester Gertrud über die Grenze flieht. Ob der leichte Ton des Briefes den Vater beruhigen soll, oder Alfred Otto Munk die Flucht als spannendes Abenteuer erlebt hat?
„Die Herfahrt war sehr schön: wir fuhren am ersten Tag (Sonntag) von Wien bis Wörgl, wobei wir großes Glück hatten, da wir am Paß Thurn eingeschneit waren. Bis Salzburg fuhren wir 4 Stunden bei sehr schönem Wetter, doch nach Salzburg kamen wir von einem Schneegestöber in das andere, so daß wir nur sehr langsam fahren konnten und als wir gar am Paß Thurn eingeschneit waren hatten wir große Verspätung und kamen in Wörgl erst um 12 h an. Wir übernachteten in einem kleinen Gasthaus am Ende der Stadt, daß klein und primitiv, aber sehr nett war. Wir mußten in der Küche essen, da die Bauern im Gastzimmer vollständig versammelt waren und unerhörte Mengen von Alkohol tranken, da ja am nächsten Tag (10. April: Wahltag) Alkoholverbot war. Nächsten Tag in der Früh standen wir um ½ 7 auf und fuhren um 7h ab. 2 Stunden brauchten wir nach Innsbruck; von dort fuhren wir dann nach Landeck und über den Arlberg, der über 3 m Schnee hatte und trotzdem passierbar war, was großes Glück war, denn sonst hätten wir und das Auto mit der Bahn fahren müßen und das viel Geld und viel Zeit gekostet hätte. In Stuben aßen wir zu Mittag und dann ging es weiter nach Dornbirn wo wir noch auf zwei Begleiter trafen, die mit uns nachher über die Grenze gingen. Von Dornbirn fuhren wir mit einer Elektrischen bis Brugg, von wo wir eine halbe Stunde zu Fuß zur Grenze gingen. Gertie und ich hatten jeder einen Passier-Schein als Auslands-Schweizer. Außerdem waren noch 2 Schweizer Polizeileute mit uns die uns halfen. Die Grenze war eine Brücke die auf österreichischem Boden von S.A. Leuten besetzt war. Als wir zum Brückenanfang kamen, zeigten wir unsere falschen Passier-Scheine unaufgefaltet. Dann gaben wir die Zettel den beiden Schweizer Polizei-Leuten, die sie kontrollieren ließen. Dabei stellten sie sich betrunken und hielten die Grenzpolizei so lang auf, bis wir auf Schweizer Boden waren. Ihnen konnte man ja nichts machen, da sie Schweizer waren. So leicht ging es nur deshalb, weil es Wahltag war und so viele Leute über die Grenze gingen, daß die Grenzpolizei keine genaue Kontrolle machten. Auf der anderen Seite der Grenze fuhren wir mit dem Auto wieder weiter nach Zürich, wo ich jetzt bin.
[…] So, jetzt wäre ich fertig, nun schreibt Onkel Rudi
Viele Grüße
Otto.“
Leseempfehlung:
Hannes Sulzenbacher, Die Familie Brunner. Eine europäisch-jüdische Geschichte. Hohenems-Triest-Wien. Hohenems 2021
Links:
Ein Historischer Radrundweg führt in Lustenau zu 17 Schauplätzen der Geschichte, von den Anfängen der Besiedlung bis in die Gegenwart, darunter auch zur Remise der elektrischen Straßenbahn oder zu den Fluchtwegen am alten Rhein.
https://www.lustenau.at/de/freizeit/kultur/historisches-archiv/historischer-radrundweg
[1] Alfred Otto Munk an seinenm Vater Hans Munk, Zürich, 11.4 1938; Archiv JMH