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    Grenzübergang Gaißau, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Gaißau am alten Rhein, vor 1939
    Foto: Leonhard Heim, Vorarlberger Landesbibliothek

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    Grenzübergang Gaißau, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Gaißau am alten Rhein, vor 1940
    Foto: Leonhard Heim, Vorarlberger Landesbibliothek

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    Bericht der Deutschen Gesandtschaft zum Fall Karl Zweifel, 1. Februar 1939
    E9500.239A#2003/47#79*, Schweizerisches Bundesarchiv



10    Christian Dutler und Karl Zweifel> 20. Dezember 1938


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10 Christian Dutler und Karl Zweifel

Fluchthelfer in Haft, in Bregenz und St. Gallen: Christian Dutler, Karl Zweifel, Alfred Schachtler und Hans Mathys
Gaißau, 20. Dezember 1938

Kurz vor Weinachten 1938 fahren zwei Zürcher Sozialdemokraten nach St. Margrethen zum Restaurant Mineralbad. Hans Mathys und Werner Stocker warten dort vergeblich auf zwei Flüchtlinge, die ihr Genosse Karl Zweifel, ein Schweizer Grenzpolizist, zusammen mit dem Taxichauffeur Alfred Schachtler aus Bregenz abholen will. Doch niemand kommt.

Am 24. Dezember 1938 meldet das Büro von Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, dem deutschen Auswärtigen Amt in Berlin.

„Das Grenzpolizeikommissariat Bregenz hat mit Fernschreiben vom 21.12.1938 folgendes hierher mitgeteilt: ‚Im Laufe des gestrigen Abends wurde mir vertraulich bekannt, dass sich vor einem Café in Bregenz ein Kraftwagen aus St. Gallen […] befindet. Da der Kraftwagen in letzter Zeit in Bregenz häufig zu sehen war, bestand der dringende Verdacht, dass sich der Kraftwagenlenker mit dem Schmuggel von Juden in die Schweiz befasst. Ich habe daraufhin sämtliche Grenzstellen im Bereich des Grenzpolizeikommissariats angewiesen, die Wageninsassen zu kontrollieren. Gegen 20 Uhr wollte der Wagen beim Grenzübergang Gaisau (sic!) die deutsch-schweizerische Grenze passieren. Durch Beamte des durch das Zollamt Gaisau (sic!) fernmündlich verständigten Grenzpolizeikommissariats wurden die Wageninsassen kontrolliert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass sich in dem Wagen neben dem Kraftwagenführer, der schweiz. Staatsangehörigkeit ist, zwei Jüdinnen und der Landjäger der Kantonspolizei St. Gallen (Schweiz) Karl Zweifel […], der beim Schweizer Grenzpolizeiposten Buchs tätig ist, befanden. Sämtliche Wageninsassen wurden vorläufig festgenommen und der Kraftwagen sichergestellt. Bei den bisherigen Vernehmungen gab Zweifel zu, nach Bregenz gefahren zu sein, um die Jüdinnen in die Schweiz zu schmuggeln.

Dr. Stocker habe ihm den ‚Ersatz der Spesen‘ zugesagt. Von einer Belohnung sei nicht gesprochen worden. In Buchs (Schweiz) habe er für die beiden Jüdinnen Grenzscheine auf falschen Namen ausgestellt und die beiden Reisepässe auf der Fahrt zur Grenze kurz vor dem Grenzübergang Gaisau (sic!) hinter einen Gartenzaun gesteckt. Von den 140,- RM, die die Jüdinnen dem Kraftwagenlenker zum Verbringen über die Grenze haben, habe er nichts gewusst.“[1]

Zweifels Kollege Christian Dutler, auch er Landjäger der Polizei und Sozialdemokrat, gelingt es nach einigen Tagen, in Bregenz die beiden Schweizer aus dem Gefängnis zu bringen. Für Schachtler muss er ein Kaution von 500,- Franken hinterlegen. Doch Dutler und Zweifel werden nun unmittelbar danach in der Schweiz verhaftet. Es folgen Hausdurchsuchungen und ihre Entlassung. Das sozialdemokratische Netzwerk, das seit Jahren besonders gefährdete politische Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich in die Schweiz schmuggelt, ist aufgeflogen.
Der sozialdemokratische Regierungsrat und Vorstand der St. Galler Polizei Valentin Keel gerät unter Druck. Auch Hauptmann Grüningers Verhalten wird schon länger misstrauisch vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments – und dem Chef der Fremdenpolizei Heinrich Rothmund – beäugt. Nun werden Keel und Grüninger gegeneinander ausgespielt. Im März stehen die Wahlen zum Regierungsrat in St. Gallen an.
Valentin Keel lässt Paul Grüninger fallen. Er gewinnt seine Wahl und verteidigt seine strategische Position. Im April wird Paul Grüninger unehrenhaft entlassen. Der Prozess gegen ihn folgt und endet mit seiner Verurteilung.

Was aus den beiden jüdischen Frauen hingegen wurde, ist unbekannt.

Leseempfehlungen:
Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998).
Jörg Krummenacher, Flüchtiges Glück. Die Flüchtlinge im Grenzkanton St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2005.


[1] Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998), S. 88.

 

Bericht der Deutschen Gesandschaft in Bern, 1. Februar 1939 
Archiv JMH

10 Christian Dutler und Karl Zweifel

Fluchthelfer in Haft, in Bregenz und St. Gallen: Christian Dutler, Karl Zweifel, Alfred Schachtler und Hans Mathys
Gaißau, 20. Dezember 1938

Kurz vor Weinachten 1938 fahren zwei Zürcher Sozialdemokraten nach St. Margrethen zum Restaurant Mineralbad. Hans Mathys und Werner Stocker warten dort vergeblich auf zwei Flüchtlinge, die ihr Genosse Karl Zweifel, ein Schweizer Grenzpolizist, zusammen mit dem Taxichauffeur Alfred Schachtler aus Bregenz abholen will. Doch niemand kommt.

Am 24. Dezember 1938 meldet das Büro von Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, dem deutschen Auswärtigen Amt in Berlin.

„Das Grenzpolizeikommissariat Bregenz hat mit Fernschreiben vom 21.12.1938 folgendes hierher mitgeteilt: ‚Im Laufe des gestrigen Abends wurde mir vertraulich bekannt, dass sich vor einem Café in Bregenz ein Kraftwagen aus St. Gallen […] befindet. Da der Kraftwagen in letzter Zeit in Bregenz häufig zu sehen war, bestand der dringende Verdacht, dass sich der Kraftwagenlenker mit dem Schmuggel von Juden in die Schweiz befasst. Ich habe daraufhin sämtliche Grenzstellen im Bereich des Grenzpolizeikommissariats angewiesen, die Wageninsassen zu kontrollieren. Gegen 20 Uhr wollte der Wagen beim Grenzübergang Gaisau (sic!) die deutsch-schweizerische Grenze passieren. Durch Beamte des durch das Zollamt Gaisau (sic!) fernmündlich verständigten Grenzpolizeikommissariats wurden die Wageninsassen kontrolliert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass sich in dem Wagen neben dem Kraftwagenführer, der schweiz. Staatsangehörigkeit ist, zwei Jüdinnen und der Landjäger der Kantonspolizei St. Gallen (Schweiz) Karl Zweifel […], der beim Schweizer Grenzpolizeiposten Buchs tätig ist, befanden. Sämtliche Wageninsassen wurden vorläufig festgenommen und der Kraftwagen sichergestellt. Bei den bisherigen Vernehmungen gab Zweifel zu, nach Bregenz gefahren zu sein, um die Jüdinnen in die Schweiz zu schmuggeln.

Dr. Stocker habe ihm den ‚Ersatz der Spesen‘ zugesagt. Von einer Belohnung sei nicht gesprochen worden. In Buchs (Schweiz) habe er für die beiden Jüdinnen Grenzscheine auf falschen Namen ausgestellt und die beiden Reisepässe auf der Fahrt zur Grenze kurz vor dem Grenzübergang Gaisau (sic!) hinter einen Gartenzaun gesteckt. Von den 140,- RM, die die Jüdinnen dem Kraftwagenlenker zum Verbringen über die Grenze haben, habe er nichts gewusst.“[1]

Zweifels Kollege Christian Dutler, auch er Landjäger der Polizei und Sozialdemokrat, gelingt es nach einigen Tagen, in Bregenz die beiden Schweizer aus dem Gefängnis zu bringen. Für Schachtler muss er ein Kaution von 500,- Franken hinterlegen. Doch Dutler und Zweifel werden nun unmittelbar danach in der Schweiz verhaftet. Es folgen Hausdurchsuchungen und ihre Entlassung. Das sozialdemokratische Netzwerk, das seit Jahren besonders gefährdete politische Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich in die Schweiz schmuggelt, ist aufgeflogen.
Der sozialdemokratische Regierungsrat und Vorstand der St. Galler Polizei Valentin Keel gerät unter Druck. Auch Hauptmann Grüningers Verhalten wird schon länger misstrauisch vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments – und dem Chef der Fremdenpolizei Heinrich Rothmund – beäugt. Nun werden Keel und Grüninger gegeneinander ausgespielt. Im März stehen die Wahlen zum Regierungsrat in St. Gallen an.
Valentin Keel lässt Paul Grüninger fallen. Er gewinnt seine Wahl und verteidigt seine strategische Position. Im April wird Paul Grüninger unehrenhaft entlassen. Der Prozess gegen ihn folgt und endet mit seiner Verurteilung.

Was aus den beiden jüdischen Frauen hingegen wurde, ist unbekannt.

Leseempfehlungen:
Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998).
Jörg Krummenacher, Flüchtiges Glück. Die Flüchtlinge im Grenzkanton St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 2005.


[1] Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Zürich 1993 (1998), S. 88.

 

Bericht der Deutschen Gesandschaft in Bern, 1. Februar 1939 
Archiv JMH

Kurzbiografien der genannten Personen

Christian Dutler geboren 1905. Als St. Galler Landjäger war er ab April 1938 an der Rettung von Sozialist*innen beteiligt, die in die Schweiz fliehen mussten, später auch an der Fluchthilfe für verfolgte Jüdinnen und Juden. Im Dezember 1938 wurde er nach einem gescheiterten Fluchtversuch von zwei jüdischen Frauen über die Grenze bei St. Margrethen in der Schweiz verhaftet und schließlich entlassen, auch wenn das Strafverfahren 1941 eingestellt wurde. Im Jahr 2002 wurde er vom Nationalrat rehabilitiert.

Karl Zweifel geboren am 10.2.1904 in Sargans, Todesdatum unbekannt. Als St. Galler Landjäger war er an Fluchthilfe für bedrohte Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich beteiligt. Im Dezember 1938 wurde er nach einem gescheiterten Fluchtversuch von zwei jüdischen Frauen über die Grenze bei St. Margrethen zunächst von der deutschen Polizei verhaftet, und nach seiner Freilassung dann in der Schweiz verhaftet und aus dem Dienst entlassen, auch wenn das Strafverfahren 1941 eingestellt wurde. Im Jahr 2002 wurde er vom Nationalrat rehabilitiert.